Es ist Mittwoch. Ich habe den Kleinsten aus der Buchhandlung unseres Freundes abgeholt. Wir entscheiden uns heute für Bus und Straßenbahn, um nach Hause zu fahren. Am Schottentor steigen wir um, überqueren die große Straße und betreten das obige Straßenbahnareal. Da hören wir es schon: laute Musik tönt uns vom Aufzug entgegen. Wir biegen um die Ecke und sehen einen älteren Mann auf einem kleinen Hocker sitzen. Vor ihm eine mittelgroße Lautsprecherbox, daneben eine kleine Schale für Geld.
Vier Minuten bis die Straßenbahn kommt. Mehrere Menschen warten bereits. Okay, warten wir auch. Wir stellen uns an die Haltestelle, die Musik spielt. Der Kleinste schaut zu dem Mann hinüber. „Magst Du ihm Geld geben?“, frage ich. „Ja“, nickt er. Er nimmt meine Münze entgegen, spaziert die paar Meter zur Geldschale hinüber und wirft sie ein. Der Mann bedankt sich. Der Kleinste kommt zu mir zurück und lächelt.
Dann geht es los: „Dedde-de-de-dee-dededee-dedde-de-de-dee-dee-dee…..“. Ein neuer Song startet. Ein alter Song! Neunziger. Die Beats starten und ein Glockenspiel erklingt. Der Kleinste und ich schauen uns an und wippen mit den Köpfen. Der frische Beat geht treibend weiter. Wir beginnen uns zu bewegen, kleine zuckende Bewegungen gehen durch unsere Körper. Plötzlich tauchen drei Polizisten neben dem Aufzug auf. Der ältere Mann reagiert blitzschnell und dreht die Musik eine große Spur leiser. Achselzuckend und leicht lächelnd schaut er die Polizisten an. Die marschieren weiter. Die Musik läuft. Der Kleinste und ich bewegen uns weiter, grinsen uns an und blicken zum Mann hinüber. Auch er schaut herüber und grinst. Unsere Bewegungen werden größer, gewagter. Schließlich schnappe ich die Hand des Kleinsten und beginne ihn zu drehen. Eine wilde Drehung. Und noch eine. Der ältere Mann lacht. Er zeigt kopfnickend Anerkennung, ja fast Ehrfurcht vor dieser ausladenden Drehung. Nun tanzen wir. Drehen, wippen, lachen. Immer wieder wandern die Blicke zwischen uns hin und her: Älterer Mann, der Kleinste und ich. Eine warme Welle durchflutet mich. Wir.
Da fährt die Straßenbahn ein. Wir drei winken zum Abschied. Der Kleinste und ich fahren davon. Die Beats im Ohr. Die Beats im Körper.
Erst gestern Abend wieder, beim Abendessen sagt der Kleinste auf einmal: „Mama, weißt Du noch – der Mann?“ „Ooooh ja!“, antworte ich. Und wir vier stimmen gemeinsam ein: „Dedde-de-de-dee-dededee-dedde-de-de-dee-dee-dee…..“
Foto: Seongho-Jang auf Unsplash
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Beim Lesen des Blogartikels kam kurz die Angst auf, dass die Polizisten das Spielen der Musik unterbinden. Wie schön dass dem nicht so war – ich habe in Gedanken bei euch mitgetanzt und nehme nun diesen Ohrwurm mit in den Tag. Vielen Dank! 🥰
Das hatte ich auch kurz erwartet. Ja, was für ein Ohrwurm! 💃
So schön!
Jaaaaaa! 💛