Manchmal kann es passieren, dass die Fürsorge gegenüber sich selbst zu einem weiteren Punkt auf der Liste wird. Auf dieser endlos langen Liste von Dingen, die noch zu erledigen sind. Akute Punkte, Langzeit-Punkte, Immer-Schon-Akut-Punkte. Und nun also auch noch für sich sorgen. Als „Me-Time“ wandert diese Zeit für sich selbst durch die Medien. Wenn man sich schon mehrere Jahre mit der Selbstfürsorge beschäftigt, entstehen seltsame, kreative, innere Dialoge. Zum Beispiel kam es im Supermarkt zu folgendem Zwiegespräch mit mir selbst:

„Komm‘, Vivian, kauf Dir doch diese Chips. Die magst Du doch so gerne.“

„Nein, danke.“

„Ach komm‘, gönn‘ Dir doch was Gutes. Wirklich, das darfst Du.“

„Nein, ich mag nicht. Passt gerade nicht.“

„Doch, natürlich! das passt doch gut. Dann kannst Du Dich am Abend, wenn die Kinder schlafen, ganz gemütlich nach einem vollen, lebendigen Tag hinsetzen und diese leckeren Chips essen.“

(Inzwischen verärgert und innerlich laut): „Ich WILL aber heute keine Chips kaufen! Ich habe momentan überhaupt gar keine LUST auf Chips!!!“

So oder so ähnlich kann ein innerer Dialog verlaufen, wenn wir die Selbstfürsorge zu sehr planen und lenken möchten. Wenn wir DENKEN, was wir brauchen. Und das passiert häufig dann, wenn wir geübter darin werden für uns zu sorgen und die selbstfürsorglichen Handlungen versuchen mit unserem Kopf zu steuern. Die vermeintliche Aufmerksamkeit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen gegenüber: Die Diktatur der Selbstfürsorge!

Doch das ist nicht das, was wir wollen: eine weitere Stimme auf unserem inneren Schauplatz. Sozusagen der Selbstfürsorge-Feldwebel, der auch wieder etwas von uns fordert. Einerseits geht es schon darum, dass die Selbstfürsorge bewusst geplant und gelenkt wird. Dass wir Zeiten im Alltag ganz für uns selbst reservieren. Oder dass wir einen inneren Fokus auf die eigenen Bedürfnisse im Gespräch und Austausch mit anderen behalten. Doch es geht auch darum diese Haltung der inneren Zuwendung immer mehr mit dem Alltag zu verflechten und stets aufs Neue zu schauen und auszuprobieren, was gerade ansteht. Letztendlich geht es um beide Aspekte. Wir brauchen Zeiten, die der Entspannung und dem Innehalten, Zurücklehnen, Zu-sich-Kommen gewidmet sind. Und darüber hinaus dürfen wir zunehmend eine Lebenshaltung entwickeln, die von selbstfürsorglichen Aspekten geprägt ist. Wir dürfen Herz und Kopf zusammen bringen. Was ist wirklich dran? Was brauche ich jetzt? Was wünsche ich mir?

Eine Diktatur der Selbstfürsorge? Bitte nicht! Was wir brauchen, ist ein sanfterer Umgang mit uns selbst. Ein spontanes Schauen, was gerade gebraucht wird. Ein aufs Neue überprüfen. Und immer wieder auch zulassen, es JETZT GERADE nicht zu wissen. Wenn wir dann etwas finden, was gerade gut tut, was wir brauchen, dürfen wir es im Stillen genießen. Ganz für uns.

 

Foto: Emiliano Vittoriosi auf Unsplash