Ich kann mich noch sehr gut erinnern wie ich als frische Erst-Mama wieder in einer beruflichen Fortbildung saß. Ohne mein 6 Monate altes Baby! Ich erwähnte in der kurzen Vorstellungsrunde neben meiner beruflichen Motivation auch mein  neues Mutter-Dasein. In der Pause begegnete ich der Referentin, in der sicheren Erwartung sie würde noch ein paar Fragen an mich haben. Mein erwartungsvoller, freudiger Blick erregte die Aufmerksamkeit der Referentin und sie wendete sich mir zu: „Sie haben noch eine Frage?“ „Ääh, nein, nein!“, stammelte ich. Absolut verwundert und irritiert darüber, dass von ihrer Seite alles klar zu sein schien. Sie wollte nichts Näheres über mein Baby wissen?

Als Zweitmama saß ich zu Beginn meines Masterstudiums an der Kunsthochschule in Zürich zuerst glücklich und dann zunehmend erschöpft im Seminarraum. In der Mittagspause des langen Seminartages kam mein Mann und brachte das Zweitbaby zum Stillen. Die Nacht war bereits anstrengend und unruhig gewesen. Am Nachmittag saß ich im Seminar und fühlte mich kognitiv, emotional und körperlich absolut überfordert. Ich war den Tränen nahe. Und war mit der Realität konfrontiert: mein Schlafmangel und mein Mutter-Sein von zwei kleinen Kindern interessierte jetzt nicht. Es stand eben nicht im Mittelpunkt dieses therapeutischen Aufbaustudiums. Natürlich. Ja, klar!  Aber gleichzeitig war es das, was mich plötzlich komplett einnahm, was mich ausmachte.

 

Wäre ich in Tränen ausgebrochen, hätte ich in dieser absolut wohlwollenden Atmosphäre bestimmt Verständnis gefunden. Gleichzeitig genoss ich es jedoch mit meiner Mutterrolle im Hintergrund zu sein und mich wieder mit fachlichen Fragen zu befassen. Wieder etwas nur für mich zu tun, mich selbständig in meinem Berufsfeld zu bewegen.

 

Dritte Szene im Lift. Ich verlasse am frühen Abend die Wohnung und damit auch die nun drei kleinen Kinder und mache mich auf den Weg zum Seminarzentrum, um zu arbeiten. Müde, erschöpft und fertig mit dem Tag. Doch: die Arbeit beginnt! Aus einer langsamen, weichen und fordernden Welt in eine Welt der Präsenz und Führung. Der Wechsel der Rollen, der Kleidung, der Haltung. Ein verschwommenes Foto im Lift. Ein Schweben zwischen Mama-Sein mit diesen feinfühligen Antennen und der Rolle der Yogalehrerin und Musiktherapeutin mit einer sehr fokussierten, nach außen gerichteten Haltung. Ein Moment von großer, innerer Ambivalenz.

 

Zwischen den Welten. Leere und Fülle gleichzeitig. Ein Gefühl von Verloren-Sein, fehlender Orientierung, ein Zwischenzustand. Sich suchen. Sich fragen. Stolpern und Fallen gehören dazu.

 

Doch was für ein feiner Tanz zwischen den Welten, der so beglückt. Wenn alles läuft. Wenn man sich sucht. Wenn man sich wieder findet.

 

Mit lieben Grüßen, Vivian Mary Pudelko

#Vereinbarkeitsgeschichten

#muttersein

#arbeitundmutter

#zwischendenwelten

 

Foto: Vivian Mary Pudelko (im Lift)